Cinema Italia

CINEMA! ITALIA! 2020


Dem deutschen Publikum bietet sich über Cinema! Italia! die einmalige Gelegenheit in den Genuß einer ganzen Reihe neuer italienischer Filme zu kommen, die ansonsten in Deutschland nie auf der Kinoleinwand zu sehen wären. Zudem trägt Cinema! Italia! dazu bei, daß einige dieser Filme es auch schaffen, verstärkt wahrgenommen zu werden und regulär in die deutschen Kinos zu kommen. Cinema! Italia! präsentiert dem Publikum in Deutschland jährlich auf’s neue italienische Kultur und modernes italienisches Leben. Die Tournee greift über die unterschiedlichen Filminhalte vielfach genau das auf, was aktuell in der italienischen Gesellschaft diskutiert wird, wo Italiener Vorlieben oder alltägliche Sorgen haben. Sie bietet einen leicht zugänglichen, aber erlebnisreichen und spannenden Einblick in die Gegenwart und die Geschichte Italiens, in die Kultur, die mediterrane Lebensart – und zeigt die reizvollen Regionen dieses Landes. Die Originalfassungen (mit deutschen Untertiteln) garantieren ein authentisches und exklusives Erlebnis.

Cinema! Italia!

Cinema! Italia! präsentiert dem Publikum in Deutschland jährlich auf’s neue italienische Kultur und modernes italienisches Leben. Die Tournee greift über die unterschiedlichen Filminhalte vielfach genau das auf, was aktuell in der italienischen Gesellschaft diskutiert wird, wo Italiener Vorlieben oder alltägliche Sorgen haben. Sie bietet einen leicht zugänglichen, aber erlebnisreichen und spannenden Einblick in die Gegenwart und die Geschichte Italiens, in die Kultur, die mediterrane Lebensart – und zeigt die reizvollen Regionen dieses Landes. Die Originalfassungen (mit deutschen Untertiteln) garantieren ein authentisches und exklusives Erlebnis


IL COLPO DEL CANE

Der ganz große Coup

Italien 2019, Farbe, 93 Minuten, OmU
Buch und Regie: Fulvio Risuleo
Darsteller: Edoardo Pesce (Dottore Mopsi), Silvia D’Amico (Rana), Daphne Scoccia (Marti), Anna Bonaiuto (wohlhabende Dame)

Warum nicht mal Dogsitter spielen? Die beiden Freundinnen Rana und Marti sind pleite und lassen sich gerne von einer reichen alten Dame engagieren, um am Wochenende auf deren Lieblingshund Ugo aufzupassen. Beim ersten Spaziergang mit Ugo im Park taucht ein junger Mann auf, der sich als Tierarzt vorstellt und zufällig ein Weibchen der gleichen Rasse besitzt. Er überredet die Mädchen zu einem kleinen Zusatzgeschäft. Keine gute Idee. Denn plötzlich wird Ugo gekidnappt und eine abenteuerliche Verfolgungsjagd beginnt. Werden Rana und Marti das kostbare Tier wiederfinden? Und wer steckt eigentlich hinter dem seltsamen Tierarzt Dr. Mopsi?
Eine rasante und herrlich verrückte Komödie mit Kultpotential, die jede Menge Überraschungen bereit hält. Überzeugend eingefangen auch die ganz eigene Welt der römischen Vorstädte, die selten zu Kino-Ehren kommt..

In der Mitte des Films gibt es einen bewussten erzählerischen Bruch, um zu zeigen, wie sich die Wirklichkeit je nach Blickwinkel verändert. Auch das Genre ist nicht einheitlich: Komödie, Drama, Krimi, Actionfilm mischen sich in der gleichen Geschichte. In Il colpo del cane gibt es keine Guten oder Bösen. Alle brauchen Geld und das treibt die Geschichte an. Es ist ein bewegter Film, da jeder auf irgendeine Weise seine Position verbessern möchte. Neben Rana, Marti und dem Doktor Mopsi spielen auch die Bulldogge, ein paar Schafe und ein Papagei eine wichtige Rolle in dem Film. Es handelt sich um Tiere, die mit den Menschen zusammenleben, aber dennoch einer anderen Welt angehören, und die wir als unser Eigentum behandeln und dabei vergessen, dass sie eine eigene Geschichte und Identität besitzen.
Fulvio Risuleo

In seinem zweiten Spielfilm beweist Risuleo wieder sein Geschick, skurrile und haarsträubende Situationen zu schaffen. Und er zeigt auch wieder die übersehenen Seiten seines geliebten Rom – quasi ein Remake von Gianfranco Rosis SACRO GRA als Komödie. Wie bei allen guten Komödien ist der Grundton unausweichlich tragisch. Egal ob man zuviel oder wenig davon hat, das Geld ruiniert das Leben der Menschen.
Filmfestival Rotterdam

Gute Ideen, witzige Wortgefechte und ein bisschen Nonsense machen Il colpo del cane zu einem amüsanten Film mit einem tollen Edoardo Pesce in einer der Hauptrollen. Der Regisseur Fulvio Risuleo ist noch nicht einmal dreißig Jahre alt. Alles Gute!
Mariarosa Mancuso, Il Foglio

Die Geschichte von drei Losern, die nur scheinbar auf entgegengesetzten Seiten stehen: Rana und Marti, die Betrogenen und der miese Betrüger Mopsi sind Opfer und Täter in einer Welt, in der alle in ihrer eigenen Blase aus Egoismus zu leben scheinen. Der Reichtum von Il colpo del cane liegt vielleicht gerade in der Freiheit, mit einem ganz persönlichen Stil eine Geschichte von Außenseitern zu erzählen (nicht umsonst ist der Regisseur auch ein Comiczeichner).
Ilaria Ravarino, www.mymovies.it

Fulvio Risuleo (*1991 in Rom) fing schon in seiner Jugend an, Comics zu zeichnen und kleine Kurzfilme zu drehen. 2014 schloss er ein Regiestudium am “Centro Sperimentale di Cinematografia” mit dem Kurzfilm Lievito Madre ab. Ein weiterer Kurzfilm, Varicella (2015), wurde in Cannes ausgezeichnet. Nach dem Spielfilmdebut Guarda in alto (2017) ist Il colpo del cane ist sein zweiter Langfilm. Als Zeichner publizierte er drei vielbeachtete Comic-Alben. Sein neuestes Projekt ist die Webserie "The Ziqqurat Case".

LA DEA FORTUNAortuna

Die Göttin Fortuna

Italien 2019, Farbe, 118 Minuten, OmU
Regie: Ferzan Özpetek
Darsteller: Stefano Accorsi (Arturo), Edoardo Leo (Alessandro), Jasmine Trinca (Annamaria), Serra Yilmaz, Filippo Nigro

Alessandro und Arturo sind ein festes Paar. In dem weltoffenen römischen Stadtteil Ostiense ist eine schwule Beziehung etwas ganz Normales. Und doch kriselt es: Der attraktive Alessandro verdient die Brötchen als Klempner und ist Seitensprüngen nicht abgeneigt; Arturo arbeitet als Übersetzer, wäre lieber Schriftsteller und neigt zur Frustration. In die festgefahrene Alltagsroutine kommt Bewegung, als plötzlich Annamaria auftaucht, Alessandros Ex aus einem früheren Lebensabschnitt, und alleinerziehend. Wegen eines Krankenhausaufenthalts bringt sie ihre beiden Kinder bei Alessandro und Arturo unter. Das stellt alle Beteiligten vor völlig neue Herausforderungen…
Wie kann eine Regenbogenfamilie funktionieren, die nicht dem klassischen Mutter-Vater-Kind-Klischee entspricht? Ferzan Özpeteks charmante und warmherzige Komödie mit queerem Touch macht Mut. Und im Hintergrund mischt die Göttin Fortuna mit.

Ich wollte von zwei Menschen erzählen, die schon lange zusammen sind und kurz davorstehen, sich zu trennen, weil die Zeit der Leidenschaft vorbei ist. Dass es sich hierbei um zwei Männer handelt, ist eigentlich unwichtig, es hätten genauso gut ein Mann und eine Frau oder zwei Frauen sein können. Mich faszinierte gerade die Vorstellung, dass sich eine Beziehung nach dem Ende der Leidenschaft verändern und zu einer neuen Art des Zusammenlebens werden kann. Ich denke, dass das Thema viele Paare angeht, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, in dem Wechselspiel zwischen Komödie und Tragödie, Lachen und Weinen, einige Zweifel zu bereinigen, die mich vor einem Jahr befielen. Mein Bruder war schwer krank und seine Frau bat mich darum, dass mein Lebensgefährte und ich uns um die zwei Kinder kümmern sollten, wenn auch ihr etwas zustoßen sollte. Diese Bitte löste in mir eine Welle aus Angst, Sorgen und Zweifel an meinen Fähigkeiten aus, und hat mir eine Gefühlswelt gezeigt, die ich nicht kannte. Der Film war meine Art, diesen Zweifeln und Gefühlen nachzugehen, um diese sehr persönlichen Fragen zu beantworten.
Ferzan Özpetek

Achtzehn Jahre nach seinem großen Hit Le fate ignoranti/Die Ahnungslosen kehrt Ferzan Özpetek mit seinem dreizehnten Film gewissermaßen zu den Ursprüngen zurück. Der Film ist stimmig. Er ist stimmig, weil er das bunte, klassenübergreifende, (teilweise) multiethnische und (völlig) multigeschlechtliche Rom wiederfindet, mit dem sich der Regisseur etabliert hatte. Er ist stimmig, weil er seine Botschaft für zwar schwierige, oft auch disfunktionale, aber zu gegenseitiger Liebe fähige Regenbogenfamilien publikumstauglich macht. Ferzan Özpetek findet in diesem für ihn so typischen Mix aus verrückten Partys, Musik, Tanz und einer solidarischen Nachbarschaft eine Leichtigkeit wieder, die in den letzten Filmen verloren schien.
Teresa Marchesi, Huffington Post

Özpetek bringt Wärme und Farbe in die Geschichte, wobei er das gut ausgewählte Ensemble mit sicherer Hand führt. Edoardo Leo und Stefano Accorsi sind sehr glaubwürdig, menschlich und attraktiv. Während uns im Hintergrund eine rätselhafte Schicksalsgöttin daran erinnert, dass das Leben vom Zufall abhängt und man es am besten mit Anmut „durchtanzt“.
Alessandra Levantesi, La Stampa

Ferzan Özpetek (*1959 in Istanbul) zieht 1976 nach Rom, um an der „Università La Sapienza all’Accademia d’Arte Drammatica“ zu studieren. Danach wendet er sich dem Kino zu, zunächst als Assistent bei Filmen von Massimo Troisi, Maurizio Ponzi und Ricky Tognazzi. Sein Regiedebut ist 1997 Il bagno turco, gefolgt von Harem (1999), Le fate ignoranti (2001, La finestra di fronte (2003), Cuore sacro (2005), Saturno contro (2007), Un giorno perfetto (2008), Mine vaganti (2010), Magnifica presenza (2012), Allacciate le cinture (2014), Rosso Istanbul (2017), Napoli velata (2017) und La Dea Fortuna (2019). Mehrere seiner Filme laufen mit Erfolg auch in Deutschland in den Kinos. Er dreht außerdem Videoclips und hat drei Romane veröffentlicht.

PALAZZO DI GIUSTIZIA

Justizpalast

Italien 2019, Farbe, 84 Minuten, OmU
Buch und Regie: Chiara Bellosi
Darsteller: Bianca Leonardi (Luce), Sarah Short (Domenica), Daphne Scoccia (Angelina), Nicola Rignanese (Viale)

Die alltägliche Justiz in einem großen italienischen Gericht. Im Herzen des Gebäudes eine Gerichtsverhandlung. Vor der geschlossenen Saaltür warten zwei Mädchen: Luce, noch klein, verspielt und eigensinnig. Domenica, fast erwachsen, unsicher und abweisend. Während ihre Väter sich drinnen in einem komplizierten Prozess um Mord oder Totschlag gegenüberstehen, wissen die Töchter draußen nicht, was tun. Nebenschauplätze wie Flure, Treppenhäuser und Pfützen im Hof werden zu Orten mit Möglichkeiten. Anwälte und Justizbeamte, Handwerker und Besucher kommen und gehen. Ein verirrter Spatz sorgt für Aufregung. Eine Vielzahl von Geschichten entfaltet sich.
Ganz auf diesen einen Ort konzentriert, rückt die Regisseurin vermeintliche Randfiguren ins Zentrum, eröffnet ungewöhnliche Perspektiven auf Justizbetrieb und Gerechtigkeit. Chiara Bellosis Debutfilm, auf der diesjährigen Berlinale uraufgeführt, ist eine spannende neue Stimme im italienischen Kino.

Ursprünglich dachte ich an seinen Dokumentarfilm nach dem Vorbild von Frederick Wiseman. Zur Vorbereitung ging ich wochenlang ins Gericht meiner Heimatstadt Mailand. Dann kam mir die Idee, aus dem Ort heraus eine oder mehrere Geschichten zu entwickeln. Das Gerichtsgebäude von Mailand ist riesig, und ich verbrachte meine Tage in den Fluren, Sälen, Innenhöfen, Cafeterias usw. Eines Tages war da ein Mädchen mit ihrer jungen Mutter, die versuchte sich die Langeweile der Wartezeit zu vertreiben. Dieses Mädchen war die Inspiration für meinen Film. Indem ich sie beobachtete, ist Palazzo di Giustizia entstanden.
Chiara Bellosi

Chiara Bellosi lässt sich in ihrem ersten Spielfilm von einem Prozess anregen, wie sie in den Lokalzeitungen die Gemüter erregen, mit einem braven Familienvater, der einen Räuber erschossen hat, doch die Regisseurin interessiert sich nicht so sehr für den Justizprozess, als für die unendlichen Stunden der Wartezeit der beiden Töchter der Beteiligten vor dem Gerichtssaal. Zwei Minderjährige, die an allem unschuldig sind, deren Schicksal dennoch von den Taten der Väter geprägt wird. In dieser Abweichung des Blicks und der Aufmerksamkeit liegt die Originalität des Films Palazzo di Giustizia, der hinter der Fassade eines „Courtroom Drama“ von zwei Mädchen erzählt, die sich auf jugendliche Art widersetzen. Die sich bedrängt fühlen auch von den strengen und geometrischen Räumen eines Gerichts, das den Anspruch hat, Chaotisches und Ursprüngliches quadratisch und rational zu machen.
Paola Casella, www.mymovies.it

Palazzo di Giustizia, der von der Regisseurin auch selbst geschrieben wurde, beschäftigt sich zwar mit der Dynamik im Gerichtssaal, interessiert sich jedoch viel mehr für die menschliche Dynamik auf den Fluren, greifbar und fühlbar gemacht von den Hauptdarstellerinnen mit einer natürlichen und instinktiven Darstellung der sehr starken Daphne Scocci und einer zarten und zerbrechlichen Sarah Short.
Camillo De Marco, www.cineuropa.org

Chiara Bellosi (* 1973 Mailand). Ihr Dramaturgiestudium an der dortigen „Civica Scuola di Teatro Paolo Grassi“ schloss sie mit Diplom ab und studierte 2007 Dokumentarfilm am „Istituto Europeo di Design“ in Venedig. Im Rahmen des Episodenfilms Checosamanca realisierte sie einen Kurzfilm. Mit Palazzo di Giustizia legt sie ihren ersten Spielfilm vor.

LA SCOMPARSA DI MIA MADRE

Das Verschwinden meiner Mutter

Italien 2019, Farbe, 94 Minuten, OmU
Kamera, Buch und Regie: Beniamino Barrese
Mit Benedetta Barzini, Beniamino Barrese, Lauren Hutton, Michela Rossi

Was für eine Karriere: Jet-Set-Supermodel, engagierte Feministin, Journalistin und Dozentin – Benedetta Barzini hat in ihrem Leben schon einige Widersprüche verbunden. In den 60er Jahren posierte sie für die „Vogue“ und andere Modemagazine, war Muse von Andy Warhol und Salvador Dalì. Später wurde sie zur eloquenten feministischen Kritikerin der Modebranche. Mit 75 Jahren hat Benedetta mit ihrem früheren Leben und ihrer Umwelt abgeschlossen und will verschwinden. Dass ihr Sohn Beniamino nun einen Film über sie drehen will, löst zwischen den beiden eine unerwartete Zusammenarbeit und zugleich Konfrontationen vor der Kamera aus.
Das faszinierende Porträt einer außergewöhnlichen Frau und zugleich ein sehr persönlicher Film über eine komplexe Mutter-Sohn-Beziehung.

Seit ich sieben Jahre alt war und mein Vater mir eine Filmkamera schenkte, ist Filmen für mich zur Strategie geworden, um Erfahrungen und geliebte Menschen festzuhalten, um sie vor dem Lauf der Zeit zu retten. Ich habe versucht, mit meiner Mutter das gleiche zu machen – es war jedoch nie leicht, sie vor die Kamera zu bringen. Ich spürte eine Art Scheu ihr gegenüber. Es schien mir unmöglich, sie in einem Bild festzuhalten. Sie war zu viel von allem: zu schön, zu intelligent, zu charismatisch, zu aggressiv, zu stark, zu tief, zu besonders. Obwohl wir seit jeher eine sehr enge Beziehung haben, war sie mir immer ein Rätsel. Was macht man, wenn die eigene Mutter sagt, dass sie für immer weggehen möchte? Diesen Film zu drehen war mein Versuch, darauf eine Antwort zu finden.
Beniamino Barrese

Benedetta Barzini war nicht nur ein Fotomodell von internationalem Ruhm, sondern auch bereit, kämpferisch die Ambivalenz und die Widersprüche der Mode- und Medienwelt zu entlarven. Ihr Sohn Beniamino filmt sie heute, mit 75, wo ihr alles immer unerträglicher wird und sie nochmals ihr Leben verändern möchte. Das Filmprojekt wird zu einer Art Kampf mit komödiantischen Momenten, in denen sie kritisiert und nörgelt, sich und andere in Frage stellt, während Bilder von ihr aus unterschiedlichen Zeitabschnitten gezeigt werden. Zum Vorschein kommt das Porträt einer Frau, die nichts dafür tut, glamourös zu wirken, das Recht auf ihr eigenes Bild beansprucht, ohne daran Gefallen zu finden, und so am Ende von dem Film Besitz ergreift.
Emiliano Morreale, La Repubblica

Der Film wurde, wie der Regisseur erklärt, "mit und gegen" die Mutter gedreht, in einem körperlichen und verbalen "Nahkampf" mit dem Sohn, der hinter der Filmkamera steht. Eine Auseinandersetzung mit dem ausdrücklichen Ziel, den Weggang der Mutter an einen ungenannten Ort zu verzögern. Wie ernst sollen wir diesen Wunsch nehmen? Und wie viel Wahrheit steckt hinter dem Versuch des Sohns, die Filmkamera als unkonventionelle Waffe zu verwenden? Der Kampf um die Kontrolle über den Film endet unentschieden. Beniamino fotografiert und filmt Benedetta, seit er klein war. Sie posiert und tanzt für ihn ein letztes Mal.
Paola Piacenza, Io Donna

Beniamino Barrese (*1986) studierte Philosophie und Ökonomie in Mailand und London und machte dann seinen Master in Kinematografie an der Nationalen Film- und Fernsehschule in Beaconsfield. Als Kameramann drehte er Kurzfilme im dokumentarischen und fiktionalen Bereich, Musik- und Modefilme sowie Werbung. La scomparsa di mia madre ist sein erster Langfilm.

IL SINDACO SEL RIONE SANITÀ

Der Bürgermeister

Italien 2019, Farbe, 115 Minuten, OmU
Regie: Mario Martone
Darsteller: Francesco Di Leva (Antonio Barracano), Massimiliano Gallo (Arturo Santaniello), Roberto De Francesco (Fabio Della Ragione)

Antonio Barracano ist die einflussreichste Person in Neapels Stadtviertel Rione Sanità und lässt sich gerne „sindaco“, also Bürgermeister nennen, auch wenn er nie gewählt wurde. Mit seiner Familie lebt er in einer prächtigen Villa. Wer ein Problem hat, meldet sich bei Barracano, und der lässt auf seine eigene Weise Gerechtigkeit walten, ob es um Schießereien im Viertel geht oder um die Machenschaften eines Kredithais. Seine engen Verbindungen zur Camorra sind dabei sehr nützlich. Doch eines Tages steht ein junger Mann vor ihm, der seinen Vater umbringen will. Bei diesem Fall gerät Don Antonio an seine Grenzen…
Eine mitreißende Verfilmung des berühmten Theaterstücks von Eduardo de Flippo aus den 60er Jahren, das Regisseur Mario Martone geschickt für die Gegenwart adaptiert hat. Spannung und Humor halten sich die Waage, und der charismatische Francesco di Leva ist die Idealbesetzung für die Titelrolle.

Antonio Barracano ist die einflussreichste Person in Neapels Stadtviertel Rione Sanità und lässt sich gerne „sindaco“, also Bürgermeister nennen, auch wenn er nie gewählt wurde. Mit seiner Familie lebt er in einer prächtigen Villa. Wer ein Problem hat, meldet sich bei Barracano, und der lässt auf seine eigene Weise Gerechtigkeit walten, ob es um Schießereien im Viertel geht oder um die Machenschaften eines Kredithais. Seine engen Verbindungen zur Camorra sind dabei sehr nützlich. Doch eines Tages steht ein junger Mann vor ihm, der seinen Vater umbringen will. Bei diesem Fall gerät Don Antonio an seine Grenzen…

Eine mitreißende Verfilmung des berühmten Theaterstücks von Eduardo de Flippo aus den 60er Jahren, das Regisseur Mario Martone geschickt für die Gegenwart adaptiert hat. Spannung und Humor halten sich die Waage, und der charismatische Francesco di Leva ist die Idealbesetzung für die Titelrolle.

Il sindaco del Rione Sanità ist mein erstes Stück von Eduardo De Filippo. Ich habe das Alter des Protagonisten radikal verändert, bei De Filippo war es ein Mann aus einer anderen Epoche. So stelle ich das Stück auf die Probe mit der Gegenwart (heute sind die Camorra-Bosse viel jünger). Erwarten Sie nicht die Illusionen des alten „Bürgermeisters“, der aus einem anderen Jahrhundert stammte, als es noch klare moralische Grenzen gab: hier dagegen kommt eine wilde, ambivalente und leidende Menschheit zum Vorschein, wo das Gute und das Böse sich in jeder Figur treffen, wo die zwei Städte, von denen in Neapel immer die Rede ist (die legale und die kriminelle) in einer Partie ohne Sieger aufeinander stoßen.
Mario Martone

In der Interpretation von Mario Martone wird Eduardo De Filippos Theaterstück von 1960 zu einem Schlüssel, um die Gegenwart zu verstehen. Vorausgesetzt, man interpretiert den Text und erfindet ihn neu und macht ihn so wieder aktuell, sowie es in diesem Film geschieht. Umringt von seinem Hofstaat, gequält von Schlaflosigkeit und Zahnschmerzen, stellt Antonio Barracano, „der Bürgermeister“, die Grenzen zwischen Recht und Unrecht wieder her, indem er seine ganz persönliche Vorstellung von Gerechtigkeit umsetzt, und sich so auch der heikelsten Fälle annimmt. Wie zum Beispiel dem des reichen Bäckers Santaniello und dessen Sohn Rafiluccio. Soll die Fehde ewig weitergehen und so eine Reihe weiterer Tote auslösen oder sollte man besser die Spirale der Rache unterbrechen? Das ist die zentrale Frage des Stücks von De Filippo.
Fabio Ferzetti, L’espresso

Hier handelt es sich nicht um verfilmtes Theater, sondern Worte werden zu Bildern, dank ausgezeichneter Schauspieler, wie Francesco Di Leva in der Rolle des „Bürgermeisters“ bis hin zu Massimiliano Gallo als sein Gegenspieler, dem Bäcker Arturo Santaniello. Ganz ohne Schießereien oder vordergründige Action geht der Film in die Tiefe des Textes von De Filippo. Kann dieser Don Antonio ein Heiliger oder ein Held sein? Vielleicht. Doch wie kann er „Bürgermeister“ sein, also jemand, der von den Bürgern hätte gewählt sein müssen, um sie zu regieren? Das ist gerade das Paradox, das der Film präzise beleuchtet: es gibt eine Leere, ein Fehlen, eine Distanz der offiziellen staatlichen Institutionen zur Gesellschaft und den Menschen, die sie eigentlich vertreten sollten.
Cristina Piccino, Il Manifesto

Mario Martone (*1959 in Neapel) beginnt seine Karriere in den 70er Jahren im Theater. 1992 erscheint sein Debutfilm Morte di un matematico napoletano, es folgen L’amore molesto (1995), Teatro di guerra (1998), L’odore del sangue (2004), Noi credevamo (2010). Seit 1999 ist er zudem künstlerischer Direktor an Theatern in Turin, Rom und Neapel. Seine neuesten Filme sind Il giovane favoloso (2014), Capri Revolution (2018) und Il sindaco del Rione Sanità(2019).

BANGLA

Bangla

Italien 2019, Farbe, 87 Minuten, OmU
Regie: Phaim Bhuiyan
Darsteller: Phaim Bhuiyan (Phaim), Carlotta Antonelli (Asia), Alessia Giuliani, Rishad Noorani, Pietro Sermonti

Phaim, ein 22-jähriger Muslim mit bengalischen Wurzeln, lebt mit seiner Familie in dem multiethnischen Stadtteil Torpignattara in Rom. Sein Geld verdient er als Aufseher in einem Museum, nebenbei ist er Kopf einer Rockband. Während eines Konzerts lernt er Asia kennen, eine junge Frau aus einer Künstlerfamilie, die komplett anders tickt: purer Instinkt, keine Regeln. Die beiden verlieben sich – und Phaim stürzt in ein Dilemma: Eigentlich müsste er eine bengalische Frau heiraten. Und wie soll er seine Beziehung mit dem unumstößlichen Gesetz des Islam unter einen Hut bringen: keinen Sex vor der Ehe? Ein Clash der Kulturen als charmante, autobiografische Komödie. Der junge bengalisch-stämmige Regisseur spielt sich und seine Geschichte selbst, mit Witz, Selbstironie und einem gehörigen Schuss Romantik.

Was bedeutet es für einen jungen Mann, Italiener der zweiten Generation und Moslem, so wie ich, in einer Welt zu leben, die oft so weit von den Regeln des Islam entfernt ist, besonders, was die Ebene der Beziehungen und der Sexualität anbetrifft? Ausgehend von diesen Fragen ist dieser Film entstanden. Der Zusammenprall mit der westlichen Welt, der Generationen-konflikt in meiner Familie und vor allem die Liebe durch die Begegnung mit einer jungen Frau, die Auseinandersetzung mit der weiblichen Welt. Eine Welt, die nicht den gleichen Regeln gehorcht, sondern scheinbar in die entgegengesetzte Richtung geht. Als Regisseur habe ich versucht, die Komplexität eines Mikrokosmos wie das multiethnische Viertel Torpignattara in Rom auf lockere Art darzustellen: Gebäude mit abbröckelndem Putz und Graffitis, Gesichter in allen Farben, rund um die Uhr geöffnete Obstläden. Moscheen und Kirchen. Junge und Alte. All das ist Torpignattara, das Viertel, wo ich geboren und aufgewachsen bin, und das in meinem Film ebenso mitspielt wie die Schauspieler.
Phaim Bhuiyan

Phaim, gebürtiger Römer, aber italienischer Staatsbürger erst mit 18 Jahren, da Italiener und Deutsche immer noch an das Jus sanguinis glauben. Das Duo Asia-Phaim muss unter großen Schwierigkeiten viele überholte Ideen loswerden: Sexophobie, arrangierte Ehen, giftigen Nationalismus, bevormundenden Orientalismus. Der Stadtteil Torpignattara, wo der Regisseur (ehemaliger Youtuber) und die Co-Autorin Vanessa Picciarelli leben, ist auch der Kulminationspunkt eines Liebesdreiecks. Die italienische Komödie wird so auch muslimisch. Märchenhafte Kostüme und Küsse als kaleidoskopische Ereignisse. Kein Schweinefleisch, kein Alkohol (nur Aperol Spritz), die Aufnahmen der bengalischen Gerichte sind fantastisch, ebenso der ethno-trap Sound von Dario Lanzellotti.
Roberto Silvestri, Film TV

Phaim Bhuiyan (* Rom 1995), Sohn einer bengalischen Familie, studiert zunächst Werbedesign und kommt über Youtube zum Film. Er arbeitet als Video-Maker und dreht Videoclips für Rapper und Punk-Rock-Bands der römischen Underground-Szene. Bangla ist sein erster Kinofilm.